Dragons Rhöndorf

Feuer und Flamme seit 1912

„Ich pfeife gerne in Hallen die positiv kochen“

Interview mit Daniel Sünnen / aktueller DBB-Schiedsrichter
Alteingesessene Dragons-Fans verbinden mit Daniel Sünnen ein bekanntes Gesicht. Vor rund 17 Jahren begann er in Rhöndorf seine Laufbahn als Schiedsrichter. Inzwischen zählt der Unternehmensberater zu den arrivierten Unparteiischen auf ProA-Niveau. Wir sprachen mit ihm über seine Anfänge, den „schwierigen“ Job im Allgemeinen sowie Technische Fouls im Speziellen.


Wann und wie bist du auf die Idee gekommen Schiedsrichter zu werden?
Das war 2001, da war ich gerade 17 als ein Rhöndorfer Schiedsrichter zu uns ins Training kam und für Nachwuchs warb. Es war damals und ist auch heute immer noch so, dass alle Vereine im Spielbetrieb eine gewisse Anzahl an Schiedsrichtern stellen müssen. Das bemisst sich an der Anzahl der Jugend- und Seniorenteams. Wer dies nicht schafft wird bestraft. Ein paar von uns signalisierten damals grundsätzliches Interesse. Danach habe ich einen Lehrgang gemacht und bin ins kalte Wasser gesprungen.
Für die Meisten hört es spätestens bei der Bezirksliga-Prüfung auf, du bist inzwischen ProA-Schiri. Was hat dich motiviert weiter zu machen?
Die erste Saison habe ich ein wenig halbherzig mitgenommen, wenige Spiele gepfiffen, trotzdem machte es mir viel Spaß. Daher legte ich ein Prüfungsspiel zum Bezirksliga-Schiedsrichter ab. Danach fragte mich der Prüfer, ob ich an einem Förderprogramm teilnehmen möchte. Diese Herausforderung reizte mich und gab mir neue Motivation um durchzustarten: Es folgten Schritt für Schritt verschiedene Maßnahmen, ich durchlief parallel diverse Ligen, bis ich 2009 in die ProB aufgestiegen bin.
Was muss man investieren, um den Status eines ProA-Schiedsrichters zu erreichen?
Grundsätzlich musst du Engagement zeigen. Heißt, viele Spiele in unterschiedlichen Ligen leiten und ein möglichst breites Erfahrungsspektrum sammeln. Dazu gehört auch Feedback einholen, von offiziellen Mentoren, aber auch von Spielern und Trainern. Einfach mal die Frage stellen: beurteile doch du mal meine Leistung. Nicht etwa, ob ich fünf Schrittfehler übersehen habe, sondern wie hast du mich insgesamt wahrgenommen. Das ist für die Entwicklung als Schiedsrichter, finde ich jedenfalls, ganz wichtig. Hinzu kommen entsprechende Lehrgänge, Prüfungen, Fitness- sowie Regel-Tests. Im Laufe einer Saison sind noch ein paar offizielle Coachings mit Beurteilungen zu absolvieren.
Was die Saisonvorbereitung eines Teams anbetrifft entwickelt jeder eine Vorstellung. Ganz anders sieht die Sache bei Schiedsrichtern aus. Was musst du tun, um gut über eine Spielzeit zu kommen?
Bei uns sieht es wohl ähnlich aus, wie bei Spielern. Nach einer langen Saison ist man froh, dass es vorbei ist. Zunächst blende ich Basketball komplett aus. In Richtung Sommerlehrgang geht’s dann aber schon wieder los. Zunächst informierst du dich über etwaige Regeländerungen, damit du nicht komplett uninformiert dastehst. Eine gewisse Grundfitness gehört natürlich auch dazu. Es gibt bei jedem Lehrgang einen Fitnesstest. Dafür musst du schon etwas tun. Also sind regelmäßiges Joggen und Fitnessstudio-Besuche ab Sommerbeginn Pflicht.
Basketball ist inzwischen verdammt schnell, entsprechend müssen Schiedsrichtergespanne stets auf der Höhe des Geschehens sein, was nicht immer möglich ist. So kommt es automatisch zu Pfiffen, die beim Fan seltsam ankommen. Wie lassen sich solche Situationen vermeiden?
Eine gute Frage. Es gibt ein Schiedsrichter-Handbuch mit Grafiken, welche die Zuständigkeitsbereiche für den jeweiligen Schiedsrichter festlegen. Da Basketball sehr dynamisch ist funktioniert das natürlich nicht immer. Daher entstehen in der Praxis ab und zu Überschneidungsbereiche, wo ein Schiedsrichter eigentlich nicht zuständig ist, aber Entscheidungen treffen muss. Um dies zu minimieren gibt es regelmäßige Lehrgänge mit Videoanalysen, die exemplarisch Situationen zeigen, in denen sich Schiedsrichter extrem gut oder auch schlecht bewegt haben. Natürlich spricht man sich vor jedem Spiel ab. Wo sind Knackpunkte, auf die wir unser Augenmerk lenken sollten? Denn Pfiffe außerhalb des persönlichen Zuständigkeitsbereichs sind meist schlechte Entscheidungen.
Wie gehen Schiedsrichter einzelne Spiele an? Es gibt ja Spieler die für besonders intensive Defense oder außerordentliche Offensive-Qualitäten bekannt sind. Spielt das bei der Vorbereitung und der Spielleitung eine Rolle?
Auf jeden Fall. Eine Woche vor dem Spiel schaue ich mir im Internet die Spielberichte der Vereine und Videos auf den Online-Portalen an, im Hinblick auf Besonderheiten, Taktik und auffällige Spieler. Unmittelbar vor der Begegnung sprechen wir dann bestimmte Akteure durch. Beispielsweise Schlüsselspieler, die bei Korbaktionen besonders geschützt werden müssen und nicht durch kleinliche Entscheidungen frühzeitig in Foulprobleme geraten sollten. Aber auch Troublemaker stehen im Fokus, solche, die öfters durch harte Fouls oder Flopping in Erscheinung treten. Die Professionalität gebietet aber keine Vorverurteilung vorzunehmen. Entscheidend ist, jedem Spieler immer wieder die gleichen Chancen zur Entfaltung einzuräumen. Im Rahmen der Regeln versteht sich.
In der abgelaufenen Saison wurden subjektiv betrachtet überproportional viele Unsportliche Fouls gepfiffen. Gab es dahingehend offizielle Anweisungen?
Ein neues Kriterium wurde offiziell eingeführt welches besagt, dass ein an sich unnötiger Kontakt durch einen Verteidiger an einem Gegenspieler mit dem Ziel, die gegnerische Mannschaft bei deren Schnellangriff zu stoppen als Unsportliches Foul zu ahnden ist. Dies haben wir meiner Meinung nach jedoch bereits schon vor der Aufnahme in die offiziellen Basketball-Regeln so gehandhabt, daher hatte mich zu Beginn der Saison die Anzahl der Unsportlichen Fouls auch gewundert. Vielleicht lag es daran, dass viele Schiedsrichter bezüglich des Themas extrem sensibilisiert waren. Im Laufe der Saison hat sich das Ganze aber wieder auf ein Normalmaß eingepegelt.
Ein probates Mittel Grenzen klar aufzuzeigen ist das Technische Foul. Hier herrschte bei den Fans oft Rätselraten. Manche Trainer duften sich ungestraft lautstark beschweren, während andere und auch Spieler für Kleinigkeiten ein „T“ sahen.
Ungleichbehandlungen im Spiel passieren hin und wieder, sollten natürlich nicht vorkommen. Grundsätzlich sind Emotionen ausdrücklich gewünscht. Die Grenze zwischen positiver und negativer Energie ist da zu ziehen, wo die Autorität des Schiedsrichters untergraben wird. Es kommt allerdings immer wieder dazu, dass die Emotionen hochkochen und bestimmte Entwicklungen führen zu persönlichen Entscheidungen. Schiedsrichter sind halt auch nur Menschen. Ich würde mir eindeutige Richtlinien wünschen, die vermeiden helfen, dass Schiedsrichter eigene Regeln gießen.
Welche Rolle spielt bei dem Ganzen die Kommunikation mit Spielern und Trainern?
Ich bin grundsätzlich ein Freund präventiver Kommunikation. Man merkt ja wenn Spieler oder Trainer aufgrund häufiger Entscheidungen gegen das Team unzufrieden sind. Oder Spieler, die einfach ihren Rhythmus nicht finden sauer werden und die Schuld bei uns suchen. Da gilt es schnell zu reagieren und klare Worte zu finden. Jedes Verhalten, dass offenkundig die Autorität des Schiedsrichters untergräbt, wie Abwinken oder Klatschen, ist mit einem „T“ zu ahnden. Punkt. Es gibt allerdings auch viele Dinge, die im Graubereich liegen. Hier liegt es am Schiedsrichter möglichst schnell mit Spielern oder Trainern zu kommunizieren. Ein paar beruhigende Worte können aufgeheizte Stimmung oft entschärfen, ohne gleich ein Technisches Foul zu verhängen.
Wie beurteilst du die Situation in den Hallen, hat sich das Klima für euch Schiedsrichter zum Negativen verändert?
Ich bin nun seit neun Spielzeiten in der dritten und seit fünf Jahren in der zweiten Liga als Schiedsrichter unterwegs, aus meiner Sicht hat sich das Klima nicht verschärft. Gleichwohl haben sich in letzte Zeit Vorfälle gehäuft, die durch die Medien gingen und unüblich für den Basketballsport sind. Da gilt es von offiziellen Seiten auf jeden Fall aktiv zu werden.
Du hast es bestimmt auch schon rüde Verbalattacken von der Tribüne zu hören bekommen. Kannst du Pöbeleien während eines Spiels ausblenden?
Klar, komplett Ausblenden kann ich Anfeindungen auf keinen Fall. Persönliche Beleidigungen höre ich allerdings sehr selten. Besonders in Hallen wie in Rhöndorf, mit entsprechender Lautstärke, gehen einzelne Kommentare schlicht unter. Was auch gut so ist. Ich kann gut damit umgehen, wenn die Kulisse richtig laut wird, gerade nach einem Pfiff gegen die Heimmannschaft. Persönliche Beleidigungen mag wohl kein Schiedsrichter, aber wie gesagt, die gehen im Gesamtpegel meistens unter.
Nehmen wir mal an, du wirst lautstark als „A….loch“ tituliert, könnte das in unmittelbarer Folge deine Entscheidung beeinflussen?
Schwere Frage! Vieles läuft im Unterbewusstsein ab. Eine empirische Untersuchung in der englischen Premier League hat ergeben, dass eine lautstarke Kulisse sich positiv auf Schiedsrichterentscheidungen fürs Heimteam auswirkt. Ob es analog einen Heimnachteil gibt, aufgrund Fans, die sich komplett daneben benehmen, mag ich nicht beurteilen. Ungeachtet dessen würde ich einem Verein jedoch empfehlen, einer Negativhaltung gegenüber Schiedsrichtern entgegenzusteuern. Erst recht, wenn sich so etwas im Laufe einer Saison verfestigt und nichts mehr tatsächlichen Leistungen zu tun hat. Wenn Schiedsrichter faktisch schon ungern zu Spielen anreisen, würde es mich nicht wundern, sollte auch ihrerseits eine gewisse negative Grundhaltung herrschen. So etwas kann wohl kaum im Interesse der Beteiligten liegen.
Entsprechend ist Rückhalt wichtig. Wie sieht es diesbezüglich seitens der Liga aus?
Da sind wir im Vergleich mit anderen Sportarten ziemlich weit. Bereits seit Jahren können wir auf erfahrene Schiedsrichter und Psychologen zurückgreifen. Auch auf Lehrgängen können wir alles ansprechen, speziell was Wahrnehmungsfehler betrifft. Ein sehr wichtiges Thema, denn gibt verschiedenste Gründe, wie eine Fehlentscheidung zustande kommt. Darüber hinaus gibt es auch noch Personalbetreuer, vergleichbar mit einem Personalbetreuer in der freien Wirtschaft, die ebenfalls jederzeit ansprechbar sind. Ich persönlich fühle mich in dem bestehenden System gut aufgehoben.
Wir alle wünschen uns souveräne Schiedsrichter, zum Teil wirken sie auf die Fans jedoch arrogant. Welche Ursachen sind dafür aus deiner Sicht ausschlaggebend?
Da bewegen wir uns auf einem schmalen Grad. Der Schiedsrichter ist der Einzige auf dem Spielfeld der neutral ist. Um nicht zwischen den Parteien aufgerieben zu werden, legen einige einen Schutzpanzer an, der arrogant wirkt. Der Königsweg ist immer, auf der einen Seite nahbar, andererseits selbstbewusst und souverän zu sein. So wünschen sich Trainer, Spieler und Fans die Spielleitung. Sicherlich leichter gesagt als getan.
Wäre es nicht souverän glasklare Fehlentscheidungen zurückzunehmen?
Absolut, das mache ich und auch einige meiner Kollegen. Besonders dann, wenn Spieler und Trainer auf eine Entscheidung mit einer Mischung aus Verwunderung und Kritik reagieren. Man sollte jederzeit so reflektiert sein oder sich mit seinem Kollegen absprechen, um sich eklatante Fehler einzugestehen. Das Mittel darf man in einem Spiel jedoch nicht allzu oft einsetzen, ansonsten schlägt es ins Gegenteil um und es besteht die Gefahr das einem die Begegnung komplett aus den Händen gleitet.
An Schiedsrichtern entzündet sich in letzter Zeit immer wieder Kritik, das Leistungsgefälle wäre zu groß. Wie stellt sich die Situation aus Schiri-Sicht dar?
Sicherlich haben wir ein Nachwuchsdefizit zu verzeichnen. In den oberen Ligen pfeifen faktisch die Besten, die sich durchgesetzt haben. Schließlich fängt keiner als Bundesliga-Schiedsrichter an. Je weniger von unten nachkommen, umso schwieriger ist es den Pool qualifiziert zu füllen. Außerdem wird Basketball spürbar professioneller, nicht nur in der BBL, sondern auch in der ProA und ProB, entsprechend größer wird der Druck. Das führt dazu, dass der eine oder andere wirklich gute Schiedsrichter Job, Familie und Sport nicht mehr unter einen Hut bringen konnte. Entsprechend haben wir einige schmerzhafte Verluste hinnehmen müssen. Hier hilft nur für das Schiedsrichterwesen aktiv zu werben.
Bei der Gelegenheit, was sollten Bewerber fürs Schiedsrichteramt mitbringen?
Sie oder Er sollten eine Persönlichkeit sein, wenn ich auch festgestellt habe, dass der Job mit der Zeit als Mensch selbstbewusster macht. Auf jeden Fall gehört ein gesundes Maß an Selbstreflektion dazu. Viele junge Schiedsrichter scheitern häufig an mangelnder Kritikfähigkeit. In den oberen drei Ligen werden nämlich im und nach jedem Spiel erbarmungslos Fehler angesprochen, damit muss man umgehen können. Im Zuge der ständigen Regeländerungen sollte man lernfähig sein. Man muss bereit sein etwas in seine Fitness zu investieren. Eine gewisse Regelkenntnis schadet natürlich auch nicht. In diesem Punkt tut sich natürlich jeder leichter, der das Spiel in den Grundzügen schon begriffen hat. Insgesamt ist es ein schöner Job, der auf allen Ebenen richtig Spaß machen kann.
Fürs Geld lohnt es sich nicht den Job zu machen. Was ist für dich die Motivation, neben Beruf und Familie, Basketball-Schiedsrichter zu sein?
Ganz einfach, ab dem Hochball genieße ich die rund zwei Stunden extrem, die ein Spiel dauert. Man ist Teil eines hoch ästhetischen Sports, auf einem hohen Niveau, was ich als Spieler nie hätte erreichen können. In dem Moment tritt alles in den Hintergrund, sodass ich wunderbar abschalten kann. Das einzige was zählt ist, einhundert Prozent Konzentration aufs Spielgeschehen. Und was ich noch sagen möchte: ich finde es auf jeden Fall deutlich besser, in Hallen zu pfeifen, wo richtig Stimmung ist, als langweilige Testspiel-Atmosphäre.
Ein letztes Wort an unsere Fans – was wünschst du dir als Schiedsrichter im DragonDome?
Wenn ich für ein Spiel der Dragons bezahlt habe, kaufst du dir auch das Recht Schiedsrichter auszupfeifen. Eine Grenze ziehe ich da, wo es persönlich wird. Ich will es mal so ausdrücken: ein Spieler der mich beleidigt fliegt raus. Genau das sollte auch für Fans gelten.


Information:
Die Dragons Rhöndorf haben im März 2018 eine Kampagne gestartet, pro fairen Umgang mit Schiedsrichtern, gegnerischen Teams und Fans, und werden in den nächsten Monaten dieses Thema immer mal wieder redaktionell aufgreifen. Den Startschuss dazu bildete der Beitrag „TimeOut – Schiris (sind keine) pfeifen“ in der Playoff-Ausgabe des Hallenmagazins TipIn, sowie der Artikel „Spaß statt Hass“. Der DragonDome und die vielen Bad Honnefer Sporthallen sollen eine Festung des Fairplay sein. Gemäß dem Motto: Spaß statt Hass und pro fairem Umgang!