Im konstanten Lernprozess
Headcoach Julius Thomas und der Vereinsvorsitzende Klaus Beydemüller gingen diese Woche in medias res. Im Gespräch ging es um den bisherigen Saisonverlauf, die knappe Rotation und Leistungsdruck.
Klaus Beydemüller: Über die Hälfte der laufenden Saison ist gespielt. Bist du bislang mit dem Verlauf und dem Team zufrieden?
Julius Thomas: Bis jetzt blicken wir auf jeden Fall positiv auf die Saison zurück. Natürlich waren die ein oder andere Niederlage, gerade zuhause, ärgerlich, aber grundsätzlich spielen wir auf einem viel besseren Niveau als noch in der letzten Saison. Zur einem Gesamtfazit möchte ich mir aber noch kein Urteil erlauben.
Warum?
Weil man für ein seriöses Fazit die gesamte Saison reflektieren muss. Wir haben schon mehrfach gedacht, jetzt haben wir raus wie es geht und dann kam ein Bruch. Andererseits, als wir dachten in einer schwierigen Phase zu sein, folgte prompt ein richtig gutes Spiel. Folglich sollte man die Saison erst nach dem letzten Spiel bewerten.
Verstanden, dann stelle ich die Frage anders: Du hast dich gegen einen breiten Kader mit vielen jungen Talenten entschieden und dafür punktuell erfahrene Spieler verpflichtet, quasi als Korsettstangen fürs Team. Geht das Konzept auf?
Mit dem Konzept bin ich sehr zufrieden. Auch, weil wir menschlich sehr gute Charaktere ins Team geholt haben. Das merkt man jeden Tag an der Art und Weise wie intern kommuniziert wird. Die Stimmung im Team ist sehr gut, was die Mannschaft im Vergleich zur letzten Saison deutlich stabiler macht. Das macht sich natürlich auch anhand der Ergebnisse bemerkbar. Klar, hier haben auch andere Vereine einen guten Job gemacht, die zurecht aktuell oben in der Tabelle stehen. In erster Linie aber freut es mich sehr, dass unsere Teamchemie bestens ist. Ergo, der Mix ist gut und ich würde es jederzeit wieder so machen.
Du bist also der Meinung, dass eine gute Stimmung im Team mindestens genauso wichtig ist wie Talent?
Gewiss gehört mehr zu einem guten Team als nur die Stimmung, allerdings bin ich der Überzeugung, dass in der Summe für ein funktionierendes Team tadellose Charaktere wichtiger sind als individuelle spielerische Qualität. Daher war es beim Recruiting auch unser Credo, immer den besten Menschen zu finden und nicht unbedingt den talentiertesten Spieler. Es ist eben wichtig, dass ein Spieler sich voll fürs Team einsetzt und nicht immer nur seine eigene Statistik im Blick hat.
Es liegt in der Natur der Sache, dass erfahrene Spieler kostspieliger sind als Youngster. Dementsprechend kürzer fällt die Bank der Dragons in der aktuellen Saison aus. Wieviel Kopfschmerzen bereitet dir die Crux?
Natürlich möchte man im Idealfall mit einem festen 12er-Kader die Saison angehen und nicht wie wir mit zehn. Aber einerseits muss man mit dem Geld auskommen, was zur Verfügung steht und auf der anderen Seite sollen die Spieler fair bezahlt werden. Dabei gleichzeitig die optimale spielerische Qualität zu realisieren ist schon ein ziemlicher Spagat. Daher war die Idee, den 10er-Kader so zu verpflichten wie geschehen und noch mit zwei jungen Talenten aus der NBBL aufzufüllen, was sich allerdings als schwierig erwies. Das ist dem Umstand geschuldet, dass derzeit nicht allzu viele Talente in der NBBL vorhanden sind, die uns helfen könnten und diejenigen, die gut genug wären, bekommen wertvolle Spielzeit in der Bonner Regionalliga-Mannschaft. Was für ihre Entwicklung wichtiger ist, als bei uns mehr oder weniger nur auf der Bank zu sitzen. Konkret zu deiner Frage: Ja, es bereitet mir ab und zu schon Kopfschmerzen, vor allem in der konkreten Situation. Durch den Wegfall von Leonardo Valesin und diverse Verletzungen sowie Krankheitsfälle ist unsere Personalsituation schon ziemlich angespannt. Trotzdem würde ich bezüglich des Kaders wieder genauso entscheiden, auch wenn uns ein paar Spiele flöten gegangen sind. Denn durch die Qualität des bestehenden Kaders haben wir immerhin schon zehn Siege eingefahren.
Aufgrund der knappen Rotation werden in Fankreisen Stimmen pro Nachverpflichtungen laut. Was entgegnest du solchen Forderungen?
Ganz einfach, dass nur gute Spieler mit guter Persönlichkeit in Frage kommen. Alles andere hilft uns nicht weiter. Und wie schon gesagt, solche Spieler müssen dann auch noch ins Budget passen, was auch nicht unbegrenzt ist.
In diesem Zusammenhang kommen wir automatisch zu Mubarak Salami. Da war immer wieder zu hören: Ein begnadeter Spieler mit schwierigem Charakter.
Er beweist uns jeden Tag, dass er einen guten Charakter hat. Außerdem war es keine Kurzschlussentscheidung. Im Vorfeld haben viele Gespräche stattgefunden und wir haben uns ein genaues Bild gemacht. Er hat von Anfang an einen sehr positiven Eindruck hinterlassen. Daher war klar, dass wir mit ihm einen guten Typen bekommen, der unserem Team eine neue Dimension gibt, spielerisch wie persönlich.
Ich habe aber den Eindruck, dass ein richtiger Leader auf dem Parkett noch immer fehlt oder bist du anderer Meinung?
Was uns sicherlich fehlt ist der klassische Kapitän oder das Sprachrohr auf dem Parkett. Was man uns als Schwäche auslegen kann, aber auch eine Stärke ist. Wir versuchen eben immer als Gruppe Lösungen zu finden. Wie wir im Detail den Raum aufteilen, wie wir in der Defensive oder Offensive agieren hat natürlich noch Luft nach oben. Daran arbeiten wir täglich.
Kannst du diesbezüglich konkreter werden?
Wir nehmen uns keine speziellen Themen vor, die in der einen oder anderen Woche erarbeitet werden. Die Trainingsinhalte beinhalten stets die kompletten Anforderungen des Spiels. Schließlich wollen wir an allen Enden des Feldes besser werden. Daher fällt es schwer da etwas Konkretes herauszugreifen.
Am Ende zählt ohnehin nur der Erfolg und alle Dragons wollen die Playoffs erleben. Nun ist die Liga extrem ausgeglichen. Aktuell kann sich auch noch der Tabellenelfte Chancen ausrechnen ….
Darüber machen wir uns als Team keine Gedanken. Wenn wir ein Spiel verlieren, schauen wir nicht nach unten in der Tabelle, genauso wenig blicken wir nach Siegen nach oben. Fans und Basketballexperten denken da anders, was auch völlig in Ordnung ist. Wir als Team können die Situation nur durch Fokussierung aufs nächste Spiel verändern. Wenn wir gewinnen, geht es ein Stück nach vorne. Darauf zu achten was andere machen ist für mich verschwendete Energie.
So richtig ist der Funke zwischen Fans und Team noch nicht übergesprungen.
Team intern ist das tatsächlich ein großes Thema. Trotz guter Ergebnisse ist was die Stimmung in eigener Halle angeht deutlich Luft nach oben.
Dabei ist anzumerken, dass von den bislang sieben Niederlagen fünf vor heimischer Kulisse stattfanden.
Das wir Auswärts so stark auftreten hat ja auch seine Gründe. Es wäre falsch zu behaupten, dass wir die Spiele in eigener Halle nur aufgrund mangelnder Unterstützung unserer Fans verloren haben. Aber die Spieler vermissen schon die bedingungslose Unterstützung von den Rängen. Auch hier gibt es Ausnahmen, gerade unsere jungen Fans sind da richtig klasse. Aber wir merken es schon, dass sich viele auf der Tribüne bei Fehlwürfen oder Ballverlusten beschweren und nicht hinter uns stehen. Das beschäftigt die Mannschaft doch sehr. Klar, wir sind in der Bringschuld, auf der anderen Seite die Fans aber ebenso. Wir können bestimmt noch erfolgreicher sein, wenn wir die Heimspiele gemeinsam mit Volldampf angehen.
Es besteht ohne Zweifel hoher Erfolgsdruck. Kritik bei Misserfolgen gehört zum Geschäft. Wie gehst du damit um?
Der Job bringt naturgemäß eine Menge Druck mit sich. Ich glaube, dass es niemand so sehr hasst zu verlieren wie ich (lacht). Aber man darf sich von dem was andere denken nicht so sehr beeinflussen lassen. Es klingt vielleicht doof, aber die meisten haben nicht die Hintergrundinformationen, um sich eine fundierte Meinung bilden zu können. Gegen offene Kritik habe ich nichts. Wenn mich also jemand persönlich fragt, woran hat dies gelegen oder warum jene Entscheidung getroffen wurde, ich bin ansprechbar.
Wie sieht’s mit dem Leistungsdruck aus, den du dir persönlich machst?
Ja, ich glaube das ist der größte Druck. Jeder, der schon einmal ein Basketballteam trainiert hat, wird das bestätigen. Man ist für alles was auf dem Spielfeld passiert verantwortlich. Da kann es keine Ausrede sein, dass ein Spieler bestimmte Dinge nicht kann, dafür musst du Lösungen finden. Daher ist der Druck den man sich selbst macht um ein Vielfaches höher, als sich das Publikum vorstellen kann.
Es ist bestimmt eine besondere Herausforderung Headcoach bei den Dragons zu sein. Bei anderen Vereinen gibt’s z.B. Leute für Video-Analyse, Spiel-Vor- und Nachbereitung, Kraft- sowie Individualtraining. Vieler der Job’s musst du in Personalunion begleiten. Wie bewältigst du das gewaltige Arbeitspensum?
Ich gebe mein Bestes. Ohne Abstriche im privaten Bereich funktioniert das nicht. Ich habe das Glück, dass meine Freundin mir da vieles abnimmt, damit ich mich noch ein bis zwei Stunden länger auf Basketball konzentrieren kann. Klar, es unheimlich viel, aber es ist umso schöner, wenn der Aufwand Früchte trägt. Wenn die Saison dann gut läuft, gibt es einem unheimlich viel zurück.
Sagt ein 25-Jähriger gelassen, der im „Nebenjob“ auch noch auf Lehramt studiert?
Naja, das Studium ruht momentan ein bisschen. Auch weil die Chance habe zusätzlich noch bei den Baskets Bonn dabei zu sein. Eine Saison lang hautnah mitzukriegen, wie das bei einem BBL-Team funktioniert, möchte ich nicht missen. Ich suche momentan nach Möglichkeiten mich weiterzuentwickeln. Daher habe ich aktuell so eine richtige Lust darauf, auch wenn es eine große Belastung ist. Im nächsten Jahr schaue ich mal, wie es weiter geht.
Die Dragons sind in Kombination mit den Baskets Bonn also wichtiges Sprungbrett für deine Trainer-Karriere?
Absolut richtig. Das man mir nach der vergangenen Saison die Möglichkeit bietet weiterhin Headcoach hier in Rhöndorf zu sein war alles andere als selbstverständlich und schätze ich sehr. Bei den Dragons habe die Chance zu gestalten und in Bonn bietet sich die Gelegenheit von einem extrem besonderen Trainer zu lernen.
Tuomas Iisalo ist derzeit fraglos der herausragende BBL-Coach. Was nimmst du von ihm für deine Aufgabe als Dragons-Coach mit?
Das Wichtigste ist, sein eigenes Denken zu hinterfragen. Primär nicht spielerisch Dinge, sondern wie man mit bestimmten Situationen umgeht, wie man Lösungsstrategien entwickelt und wie man mit Menschen umgeht. Insgesamt zu akzeptieren wie Leute ticken. Das ist eine großartige Erfahrung.
Wie sehen deine Ziele als Basketball-Trainer aus, unabhängig von der laufenden Saison?
Was sind deine Ziele im Basketball, die Frage wird mir oft gestellt. Eine Antwort zu finden fällt mir schwer. Ganz einfach, weil das Geschäft von auch von Zufällen geprägt ist und man schlecht vorhersehen kann, wo die Reise hingeht. Darum beschäftige ich mich nicht so intensiv mit der Zukunft sondern lebe im hier und jetzt. Ich versuche aktuell das Beste aus der Situation rauszuholen. Ich könnte jetzt sagen, ich will Bundesliga-Trainer werden, dass ist aber nicht das was mich motiviert. Mich begeistert die tägliche Arbeit mit den Jungs, Lösungen in schwierigen Zeiten zu finden und einfach immer besser zu werden.
Abschließende Frage: wie würdest du dich als Trainer selbst charakterisieren?
Im konstanten Lernprozess.